Lateralität – Jeder von uns macht irgendwann im Kindesalter die Erfahrung, dass man mit der einen Hand geschickter ist, als mit der anderen und auch die Füße unterschiedlich geschickt eingesetzt werden können. Jeder der auf einem Trampolin springt und versucht sich um die eigene Achse zu drehen, stellt fest, dass es in die eine Richtung sehr leicht geht, während es sich anders herum irgendwie „komisch“ oder „falsch anfühlt“.

"Kontralaterale Transfer" von einer Seite, auf die Andere.

„Kontralaterale Transfer“ von einer Seite, auf die andere

Man spricht bei diesen Dingen von einer Händigkeit, Füssigkeit oder auch Drehseitigkeit. Es gibt demnach eine dominante und eine subdominante Seite. Nun kann es passieren, dass man sich als Rechtshänder durch blöde Umstände die rechte Hand bricht oder verstaucht und sie eine zeitlang nicht einsetzen kann. Trotzdem muss man sich am Abend die Zähne putzen. Nimmt man jetzt die linke Hand zur Hilfe, wird man folgendes feststellen: die Hand wird in der Lage sein, die Bewegung des „Putzens“ auszuführen, auch wenn man mitunter noch nie in seinem Leben mit der linken Hand seine Zähne geputzt hat. Natürlich ist diese Bewegung sehr unsicher und stockend, aber offenbar wurden Bewegungsmuster von der rechten, auf die linken Seite übertragen.

Wissenschaftler haben sich diesem Phänomen unlängst angenommen und heraus gefunden, dass es tatsächlich einen Transfer von der linken auf die rechte Gehirnhälfte und andersherum gibt. Dieser Transfer nennt sich kontralaterale Transfer, bilaterale Transfer, oder auch „Crossing Effekt“( Hollann/Hettinger, 1976). Im Fall des „Zähne-Putzens“ wurde ein Bewegungsmuster übertragen. Das heißt, man kann hier davon sprechen, dass eine koordinative Fähigkeit übertragen wurde. Einen selbigen Transfer würde es demnach geben, wenn man einen Schuss beim Fußball trainiert, einen Wurf beim Handball und ähnliche Bewegungen in diversen Sportarten.

Die Frage, die aber für den Fitnesssport noch interessanter ist, ist jene, ob sich auch konditionelle Fähigkeiten transferieren lassen. Das hieße konkret Kraft, Ausdauer oder Schnelligkeit. Wenn ich also den Bizeps Curl ausschließlich mit dem rechten Arm ausführe, gibt es dann eine Verbesserung der Kraftfähigkeit im Linken?

Tatsächlich wurden zu dieser These verschiedene Untersuchungen durchgeführt. Fischer hat dazu bereits in den 80′ Experimente durchgeführt. Dabei wurde der subdominante Arm mehrerer Probanden für drei Wochen eingegipst, sodass es auch im Alltag keine Muskelbeanspruchung geben würde. Die dominante Seite, wurde dreimal pro Woche in einem kurzweiligen Training beansprucht.

Nachdem jeweils Pre – und Posttests bezüglich der Muskelaktivität- und qualität gemacht wurden, gab es folgende drei Kernaussagen:

a.) Durch unilaterales Training der Muskeln einer Seite des Körpers, kann auch eine größere Muskelstärke auf der nicht-arbeitenden Körperseite herbeigeführt werden.

b.) Kontralaterale Transfereffekte können auch bei den Antagonisten auftreten.

c.) Übertragungen gelten sowohl für die Maximalkraft, als auch für die Kraftausdauer.

 

Diese gewonnen Erkenntnisse sind absolut bemerkenswert und haben weitreichende Folgen hinsichtlich der Trainingsgestaltung.
Im Verletzungsfall macht es demnach Sinn mit der gesunden Seite ein gewisses Trainingspensum zu absolvieren, weil auch die geschädigte Seite einen Effekt daraus zieht.
Der Transfer kommt im übrigen in beide Richtungen zum Tragen, d.h. von der dominanten auf die subdominante Seite und andersherum.

Natürlich ist festzuhalten, dass es bei der arbeitenden Körperseite immer zu einem größeren Effekt kommen wird, als bei der nicht-arbeitenden Körperseite. Dennoch:

Ziel muss es nicht sein, die Leistung der nicht – dominanten Seite an die dominante Seite anzugleichen, sondern die Bahnung der nicht-dominanten Extremität zu verbessern, und Möglichkeiten in der dominanten Extremität zu erhöhen.

Besonders wichtig ist das in Sportarten, in denen ich eine eindeutige einseitige Belastung habe. Paradebeispiele sind hier Speerwerfen oder auch Kugelstoßen. Nach den Erkenntnissen des kontralateralen Transfers, mach es Sinn, beide Seiten zu trainieren, auch wenn im Wettkampf nur die dominante Seite eingesetzt wird. In vielen Trainingseinheiten wird dieser Effekt bereits genutzt.
Ganz abgesehen davon wirkt man durch diese Art des Trainings muskulären Dysbalancen entgegen.

Das gilt natürlich auch für den Fitnessbereich, wobei meine Erfahrung an dem gemessen, was ich im Fitnessalltag sehe, zeigt, dass ein Großteil der Personen beide Seiten gleichmäßig trainiert. Anderes hätte nicht nur Dysbalancen zur Folgen, sondern würde sich auch optisch äußern.

Im übrigen besitzt nicht jeder Mensch eine dominante Seite. Wer beide Körperseiten in gleichermaßen geschickt einsetzen kann, wird auch Ambidexter genannt.
Dazu eine Überlegung zum Schluss: in vielen Sportarten ist es von Vorteil beidhändig oder füßig zu sein, weil es die taktischen Möglichkeiten erhöht eine Situation zu lösen. Es muss aber nicht immer von Vorteil sein. Wer eine dominante Seite hat, trifft möglicherweise eine Entscheidung schneller, weil der Körper auf die dominante Seite eingestellt ist. Am Ende kommt es wie so oft auf die Situation an, in der ich mich befinde und welches Ziel ich verfolge.