Biggest Looser vs. Personal Trainer – Der Zweck heiligt die Mittel heisst es ja bekanntermassen. Der Zweck oder das Ziel abzunehmen, ein Urthema eines jeden Personal Trainers, erfordert hingegen schon eine genauere Betrachtungsweise aller in Frage kommender Mittel und in Abhängigkeit zur betreuenden Person. Nun gibt es Menschen denen die Mittel fast egal sind, wenn nur das Ziel erreicht und der Zweck erfüllt wird, endlich Gewicht nachhaltig zu reduzieren. „Nachhaltigkeit“ ist sicher der wichtigste Indikator für wirklich erfolgreiche Gewichtsreduktion! Nun gibt es ja in den USA entwickelte, nach Deutschland importierte Fernsehformate, die sich dieser schwergewichtigen Thematik angenommen haben. „The Biggest Loser“, aus dem amerikanischen TV übernommen und denen verabreicht, die mit der ebenfalls übernommenen Ernährungsweise zu heilen sind.

Biggest Loser versus Personal Trainer - Fast Food - Ernährungsberatung Personal Trainer

Biggest Looser vs. Personal Trainer – „Machen Kinder dick?“
  Foto: flickr.com Blind Hen

Schon von Berufs wegen interessiert mich, was findet wie und warum bei „The Biggest Loser“ statt. Hinschauen und zuhören ist wichtig, so dass sich dann auch schon das Meiste von selbst erklärt und man erkennt, dass Gruppendynamik wie ein Brandbeschleuniger wirken kann, positiv wie negativ. Wer die „Regeln“ hinter dem Reglement im Abnehmcamp versucht herauszufinden, hat zum Nachdenken, wer nun warum das Kind gleich mit dem Bade ausschüttet?

Welcher Übergewichtige darf in’s Fernsehen und wer profitiert wirklich?

 

Teilnehmer des „Abnehmlagers“  haben sich als letzten Rettungsanker für diesen öffentlichen Weg zur Gewichtsreduktion entschieden, sicherlich auch weil dem Sieger 50.000 €  winken. Es stellt sich aber schnell heraus, dass ein durch Seriosität und Individualität glänzendes Coachingformat, die Gewichtsreduktion betreffend, eine zu hohe Erwartungshaltung ist. Auch das man verschiedene Strategien zur Gewichtsreduktion umfänglich und inhaltlich nicht miteinander vergleichen kann, vor allem dann, wenn es nicht nur ums reine Abnehmen geht. Auf dem Unterhaltungssender SAT1, auf dem man schliesslich voyeuristische Bedürfnisse zu befriedigen hat, müssen Opfer gebracht werden, logisch. Eine Aneinanderreihung von aufgezeichneten Handlungsfetzen, genannt Challenges, überfordern schon mal nicht an einem Sonntagnachmittag mit Käse-Sahnetorte von Oma im Bauch. Ok, soviel steht fest.

Abnehmen mit der Brechstange ist möglich – aber schneller, höher, weiter…

 

So weit so gut, das hat man auch schnell verstanden. Was kann man wem nun neben hunderten von abgedrillten Kilos zusätzlich als Sensation präsentieren, um Zuschauer und vor allem Konsumenten bei der Stange zu halten? Vielleicht noch den Anblick der freigelegten Leiber beim Wiegen? Aber nicht nur da wird entblössen grossgeschrieben sondern auch bei diversen Übungen und das mit sekundenlangem Kamerafokus auf prekärste Bauchbaustellen. Offensichtlich für den geneigten Zuschauer zum Ergötzen. Oder schwerst Übergewichtige, die ohne Mars bei Arbeit, Sport und Spiel der Überforderung regelmässig physischen und mentalen Tribut zollen müssen und an deren diversen Zusammenbrüchen man sich laben könnte.

Teilnehmer werden als Zirkusattraktionen missbraucht

 

Kürzlich las ich dazu aus vielen Kommentaren: „Tanzbären auf einem Jahrmarkt die aufgefordert werden unter Essensentzug Schwanensee zu tanzen“. Oder: „Hoffentlich bringt man mal auch etwas zur Ernährung und Psyche– immer nur schwabbelige Bäuche beim Sport sind auf Dauer langweilig“. In der Tat!! Von den durch Geistreichheit nur so strotzenden Spielen, wie 5 Tafeln Schokolade in 20 Minuten zu essen, um sich die Immunität beim Wiegen zu erhalten, fühlt sich offenbar nicht jeder gut unterhalten.  Spass muss trotzdem sein! Und am besten auf Kosten derer, die nach wenigen Wochen instinktiv spüren dass die Wahl der Mittel nicht die richtige war.

Wer lange Schwerstübergewichtige betreut, weiss, ihre Geschichten sind tiefgründig

 

Probleme, die zum  Übergewicht geführt haben, sind oft sehr vielschichtig und eignen sich kaum zum öffentlichen „großen Fressen“. Auch nicht das Schnellcoaching bei kleinen oder grossen Sinnkrisen einiger Teilnehmer durch Dr. Theiss trägt dem Rechnung! Eine bohrende Frage: gibt es neben „lustigen“ Oberflächlichkeiten noch mehr Substanz? Vielleicht die überhöhten Leberwerte, Allergien oder  Blasen der Teilnehmer? Übrigens, zwar eine köstliche Idee viele Zentner Fettabfälle aus dem örtlichen Schlachthaus, die unter spanischer Sonne gereift sind, ins Camp zu karren!

Aber selbst die zwei Fliegen Motivation und Abschreckung mit einer Klappe geschlagen,  werten die Dramaturgie nicht bis zur Grimme Preis Nominierung auf . Natürlich darf  „Sozialarbeit“  nicht fehlen, mit Benimmregeln, Küchenauftrag und Teambuilding, welche allerdings regelmässig in Feindseligkeiten und Kontroversen enden, sehr interessant.  Wahrscheinlich hat man sich ganz bewusst gegen eine Live-Ausstrahlung entschieden, damit wirklich nur  die „schönsten“ Szenen gesendet werden, die dann nochmal aufbereitet, geschnitten und für das  Couch Potato – Amusement zum langsamen „auf der Zunge zergehen lassen“ zur Verfügung stehen.

Also fast alles auf dem Niveau, morgens eine Birne, mittags ein Ei und abends eine Tomate 

 

Und wer zum Essensentzug dazu noch viel Sport macht nimmt ganz viel ab. Das ist logisch, so soll es sein und so einfach ist das auf Sat1, wo Wunderheilungen und Sensationen an der Tagesordnung sind. Dort geben sich Magiere und Gurus jeden Fachs die Hand und der Funfaktor steigt höher als der Informationsfaktor. Den Personal Trainern, die dort vielmehr als Gruppeninstruktoren arbeiten und kaum persönlich und schon gar nicht politisch eingreifen, ist inhaltlich kaum ein Vorwurf zu machen. Man muss bedenken, dass auch diese wiederum für gelieferte Sensationen bezahlt werden. Sie haben die Aufgabe in erster Linie als verbale Kalorienverbrenner und Einpeitscher zu fungieren. Kati Witt und Regina Halmich haben den Weg an der Fernsehfront mit dem Format „The Biggest Loser“ bereits gehen müssen, ein sehr beschwerlicher, wie ihr kurzlebiges Moderatorendasein bereits zeigte! Der Wunsch das brillante Sportler automatisch gute Moderatoren werden, die fehlende Inhalte mit ihrer Person ausgleichen können, hat sich selten erfüllt.

„Sportliche Promis“ als Zugpferde vor einem Zirkuskarren

 

Jetzt nimmt Frau Dr. med. Christine Theiss, ihres Zeichens Kickboxweltmeisterin, (Glückwunsch zur sportlichen Leistung!) den Kampf mit den Pfunden und gegen das tiefer gelegte Image an. Sie soll nun alle Schweinehunde vertreiben, die kritischen, die der Teilnehmer, der Konsumenten und ihre eigenen gleich mit. Ein Querulant ist der, der dabei denkt, dass ihre sportliche Karriere rein zufällig auch live auf Sat1 begleitet wird. Aber Frau Dr. med. ist tapfer und begleitet mit unterkühltem Auftreten und dem eingeschweissten Lächeln einer Zitrone die mit Lachgas behandelt wurde jede zum Fremdschämen geeignete Szene.

Übergewichtiger Unsinn wird immer dicker und Glaubwürdigkeit dünner

 

Ja und das „kleine Schwarze“ sitzt auch top, wirklich!- nur das die Kostümierung  zum „Schwerstübergewichtsformat“ so passend ist wie ein „Atomkraft Nein Danke“ Button auf einer Vattenfall Vorstandssitzung! Jedenfalls immer auf Seriosität und Souveränität bedacht hat Frau Dr., den so wichtigen Nebenverkauf ankurbelnd, natürlich das passende Buch mit dabei, für alle diejenigen, die nicht dabei sein können.  Die durchaus praxistauglichen und fachlich guten Inhalte im „Besser leben, gesund abnehmen“ weichen allerdings im „Reallity-TV light“ leider dem Bespassungsauftrag.

Trotz genannter Kriesengespräche schwächelnder Kandidaten mit Frau Theiss bleibt das Geschmäckle der reinen Regie – Inszenierung: „wir wissen wie wichtig Selbst- und Nächstenliebe beim Abnehmen ist, soll die gutmenschliche Botschaft sein. Dennoch stellt sich trotz sehr bemühter Empathie nur schleppend echte Glaubwürdigkeit ein. Warum den Teilnehmern mit saurer Miene suggerieren, 1 Kilo Gewichtsverlust in der Woche sei viel zu wenig, um sich mit der eigenen Leistung wohlzufühlen. Bitte?

Bei Biggest Looser verlässt man völlig die Fach- und Vernunftsebene! 1 Kilo in der Woche sind 4 im Monat und 48 im Jahr, bei dem ausgeprägten Übergewicht und verbundenen Schwierigkeiten ein anzustrebender und den Stoffwechsel betreffend guter Zeitrahmen. Die Kandidaten werden mal gross und dann wieder rund geredet, je nach Szenarioplanung und weniger nach Notwendigkeiten. Wie packen die das zu Hause weiter? Eine Frage, von einer Kandidatin gestellt, in der grosse Zweifel mitschwingen.

Nur der Alltag über größeren Zeitrahmen zeigt den wahren Erfolg

 

Ein völlig anderer, weil vor allem alltäglicher Kontext, wird lange nach Ausstrahlung zeigen, wie viel Wert es für jeden einzelnen hatte und ob die einschneidenden Erfahrungen einen Dauerimpuls hinterlassen haben. Einige schaffen es ihr Gewicht auch zu halten, die dann zum Beispiel als Gastdrillsergeant eingeladen werden, um müde Beine und Köpfe munter zu machen. Andere hingegen nehmen sogar zweimal teil! Weil es so schön war, oder weil die Haushaltslage drückt oder etwa noch immer der Hosenbund?

Nicht, dass Spass nicht wichtig wäre, gerade beim Abnehmen. Nicht, dass auch eine Träne auf dem Weg in ein leichteres  Leben einiges bereinigen könnte. Nicht, dass nicht auch mal ein provokantes Wort helfen kann. Nicht, dass es nicht auch Übergewichtige motivieren kann zu sehen, dass es keine aussichtslosen Fälle gibt. Es bleibt sicher alles eine Wahrnehmungs- und Geschmacksache und Spass ist auch keine feststehende Größe und letztlich gibt es nicht den einen Weg zur Gewichtsreduktion. Aber warum, wie bei Biggest Looser, den Stier an einem Nasenring durch die Arena hetzen und noch kräftiger ziehen, wenn die Quotenmenge noch lauter zu johlen wünscht? Glückwunsch jedenfalls für den Mut, Biss und Ehrgeiz den einige Teilnehmer entwickeln und viel Glück,- insbesondere auf ihrem selbständigen Weg nach „The Biggest Loser“.