Der Wunsch nach Anerkennung verhindert Anerkennung, hat ein Trainer von mir mal gesagt. Wer will nicht mit seinem DaSEIN, unabhängig von Status, Aussehen und Leistung anerkannt werden? Und Neurobiologen bestätigen, Anerkennung setzt in dem mittleren Areal des Gehirns den Botenstoff Dopamin sowie das Opiat Oxytocin frei, die wie Drogen euphorisierend wirken. Genau in dem Bereich des menschlichen Gehirns, der auch von Drogen, die von außen zugeführt, abhängig werden lässt.

Die Maske der Anerkennung

„Hinter der Maske der Anerkennung BIN ICH“Foto: pixabay

Und hier liegt die Crux. Auch wenn die soziale Anerkennung wichtig für uns ist, der Unterschied liegt im ab -oder unabhängig von etwas sein. Anerkannt und akzeptiert werden zu wollen ist etwas anderes als eine ausgeprägte „Gefallsucht“. Diese ist nicht ungefährlich und kann in schwere emotionale Erschöpfungszustände münden, wenn trotz unendlicher Anstrengung die Anerkennung ausbleibt. Doch der Grad ist schmal, zwischen einem normalen Bedürfnis und dem pathologischen Zwang nach Lob.

Einige Menschen scheinen geradezu übersteigert süchtig nach Anerkennung und buhlen in jedweder Art nach der scheinbar wohlwollenden Zuwendung, in allen Lebenskontexten. Der Grund ist eine maßlose Angst vor Ablehnung, die wiederum dynamisch das Denken und Handeln dieser Menschen bestimmt. Sie tun sehr viel dafür von allen gemocht zu werden, immer. Ist diese Angst vor Ablehnung jedoch berechtigt, sinnvoll und ist sie unüberwindbar?

„Der Menge gefallen heißt den Weisen missfallen.“ Plutarch

 

Viele taumeln zwischen den unterschiedlichsten Erwartungen von anderen, teilweise fremden Menschen, Partnern, Freunden und Institutionen wie ein Betrunkener von Bordstein zur Hauswand. Sie ändern Meinungen, wechseln ihr „Gefieder“ stündlich, wenn es sein muss, nur um beliebt zu sein, anerkannt, und gelobt zu werden. Sie blähen verbal und nonverbal ihren Status wie ein Auerhahn seinen Hals in der Balz.

Diese Menschen suchen den ständigen Kick ähnlich einem Spiegeltrinker, der den Pegel für einen „guten Zustand“ halten muss. Das kann ein verdammt anstrengendes Leben sein und ist dazu nicht gerade beglückend, weil es die eigene Identität missachtet. Auch weil deren stetige Suche nach Glücksgefühlen und Selbstwerterhöhung im außen liegt. Das ist dann eine Form von Abhängigkeit, die nicht jeder „Betroffene“ so einfach wahrnimmt.

„Nichts macht uns feiger und gewissenloser als der Wunsch, von allen Menschen geliebt zu werden.“ Marie von Ebner-Eschenbach

 

Einer der wohl „prominentesten“ deutschen Dichter und Denker Goethe hat sich dem Thema schon vor längerer Zeit genähert: „Man kann sehr glücklich sein, wenn man die Zustimmung der anderen nicht fordert“. Heute ist das nur in unseren Gedanken ein dickes Problem nicht mit allem konform zu sein. Gruppenkonformität ist ein Schutzmechanismus, welcher allerdings uralt und nicht mehr notwendig ist. Viele Abhängigkeiten um elementare Grundbedürfnisse überhaupt zu erfüllen zu können fielen in den letzten Jahrhunderten in unserem Kulturkreis mehr und mehr weg.

In der Vergangenheit in grauer Vorzeit, war die Zustimmung und Anerkennung als Individuum in „der Gruppe“ essenziell, um zu überleben. Was viele als Ablehnung interpretieren, ist nur ein Gefühl mit dem sie gut umgehen können. Bei manchen Menschen ist es eine Bedrohung und eine irrationale Angst. Der Säbelzahntiger ist ausgestorben, die „Nachbarhorde“ ist schon lange nicht mehr kriegerisch drauf, und Essen und Trinken ist für alle genug vorhanden. Insofern ist auch für autonome Individualisten heute das Überleben gesichert.

„Anerkennung ist ein Pflanze, die vorwiegend auf Gräbern wächst.“ Robert Lembke

 

Verstärkend kommt hinzu, dass jeder mit der eigenen Kindheit und bestimmten Erfahrungen der Erziehung später umgehen muss -“ bist du lieb mein Kind und so wie ich es mir vorstelle und von dir erwarte, hab ich dich auch lieb“. Liebe und Lob gegen erwartetes Verhalten. Vielen gelingt es sich von diesem Deal zu lösen, bei anderen brennt es sich tief ein und mündet in eine unendliche Suche nach Anerkennung.

Die einfachste Technik um sich von „Unechtheit“ und Gefallsucht zu lösen, wenn ich diese als solche erkenne: Zunächst lernen NEIN zu sagen, zu alledem, was mir in keiner Weise entspricht. Ob Denkweisen, Traditionen, Verhalten und äußeren Merkmalen betreffend. Aber wie kann man sich systematisch dem Problem nähern und einer Lösung zuführen? Bewusstmachung ist der erste Schritt. Natürlich muss man zunächst Klarheit darüber erlangen, wer bin ich wirklich, wo will ich hin und wo stehe ich ich derzeit. Man sollte sich seiner eigenen Identität bewusst werden! Zunächst ist es sinnvoll die „Problemfelder“, die verändert werden sollen, jeweils einzeln auf ein Blatt aufzuzeichnen, sich in die Mitte zu stellen und systematisch nach Priorität einzeln zu bearbeiten.

„Du selbst zu sein, in einer Welt, die dich ständig anders haben will, ist die größte Errungenschaft.“ Ralph Waldo Emerson

 

Die Frage, ob mein Verhalten in jeweiligen Problemfeldern tatsächlich wirklich hilfreich ist, oder ob es mich im Ergebnis eher tief liegend schmerzt, ist dabei wohl unverzichtbar. Schmerzt es, weil es an Selbstaufgabe grenzt, ist Veränderung notwendig. Wenn mir Angepasstheit schadet, in dem Glauben nur dann Zustimmung und Zuwendung von Gruppen oder Einzelpersonen zu erhalten gilt es neue Fragen zu stellen. Woher weiß ich das? -Ist eine solche. Wir glauben schlichtweg zu oft Dinge, die dann lediglich unserer aber nicht DER Wahrheit entsprechen. Wir glauben wir werden nicht mehr gemocht, wenn wir NEIN sagen und uns fast um jeden Preis anpassen müssen.

Zum Beispiel: Wenn ich denke, mich mit einem Freund ständig betrinken zu müssen, weil ich glaube das er das immer erwartet, sollte ich meinen Glauben bei ihm hinterfragen. Muss ich in Deiner Gegenwart betrunken sein? Vielleicht mag er mich ja auch völlig nüchtern und ich kann sein „bierinduziertes Geschwätz“ mit Spaß aufnehmen, dann ist alles in Ordnung. Wenn nicht, weil er mein NEIN nicht akzeptiert, sollte ich mich um einen anderen Freund kümmern, so einschneidend es auch sein mag. Wenn ich mich mit dem Wissen trotzdem mit ihm betrinke, um Zustimmung zu bekommen, ist es als würde ich eine Prostituierte für wahre Liebe bezahlen. Das ist Selbstbetrug und Suchtverhalten.

Der Versuch „Everybodys Darling“ sein zu wollen, darf und wird misslingen

 

Es allen recht machen wollen, verhindert dieses Angesprochene klare NEIN, das so wichtig ist für die eigene Persönlichkeit, weil es heißt, zu sich SELBST zu stehen. Und wer zu sich stehen kann, tut viel für seinen Selbstwert. Das kann man üben, zunächst an kleinen Beispielen. Später bei größeren Dingen ist genau zu sehen, wer ist wirklich an der Person interessiert, ohne ständig Bedingungen an die Verbindung zu knüpfen. Der Lernauftrag ist, den Wert der eigenen Meinung zu erkennen und auch dafür einzustehen, auch auf die Gefahr hin unbeliebt zu sein. Abgrenzung  lernen und Step by Step neue Gewohnheiten beim JA-NEIN sagen zu installieren heißt für sich selbst sorgen.

Auf die Kehrseite der Medaille geschaut, wer jagt Freunde, Bekannte, Partner sofort zum Teufel, wenn er mal ein NEIN hört? Kaum einer. Also Mut ist gefordert aushalten zu lernen, nicht ständig Everybodys Darling sein zu müssen. Es ist nicht mehr notwendig wie in der Abhängigkeit als Kind, als unabhängiger Erwachsener stets und ständig Anerkennung haben zu wollen. Auch wenn in unserer Gesellschaft Konformität und Altruismus hoch angesehen sind,  mehr Selbstliebe und gesunder Egoismus sind der eigenen Identität deutlich zuträglicher als glattgebügelte, gefallsüchtige Selbstaufgabe.