Resilienz Coaching Berlin – oder „Opium für’s Volk“? Im Bereich Psychologie werden Begrifflichkeiten oder Diagnosen von „Otto Normalverbraucher“ häufig unterschiedlich definiert. „Burnout“ oder „Stress“ sind solche Begriffe! Mit „Resilienz“, im Klartext psychische Widerstandsfähigkeit, ist es ähnlich. Beim Coaching wird Resilienz heute als Trainings- oder Therapieinhalt in Coachingsitzungen geschult und angeboten. Die Fragen die sich dabei stellen, sind, wogegen oder wofür psychische Widerstandsfähigkeit? Kann Widerstandstandsfähigkeit auch fehlinterpretiert werden, und falsch eingesetzt zum Bumerang werden? Ich möchte mich diesem Begriff etwas anders annähern, als es bei den häufigsten Definitionen und resultierenden Schlussfolgerungen der Fall ist.

Resilienz Coaching Berlin – oder „Opium für’s Volk“ ?
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Ich habe mir häufig die Frage gestellt: Wie ist es möglich, dass einige Überlebende des Holocaust, in Interviews einen zufriedenen, sehr stabilen und sogar glücklichen Zustand zeigen? Andere hingegen reagieren bei jeder Erinnerung daran, auch nach über 70 Jahren, mit Retraumatisierungsmerkmalen und tiefer Melancholie. Die Genetik macht den Unterschied, werden jetzt viele sagen. Natürlich kann das ein Grund sein, allerdings nur einer, neben anderen wesentlichen. Hier Auszüge eines Interviews mit Elieser Ayalon, Holocaustüberlebender:
„Drei Generationen, die aus der Asche des Holocaust geboren wurden und aufgewachsen sind. Heute bin ich der glücklichste Mensch der Welt. Mein Leben, meine Kinder und Enkel, ich könnte nirgendwo glücklicher sein. Ich sage den Leuten immer: Die Tatsache, dass ich als anständiger Mensch und gläubiger Jude überlebt habe, der lachen und lieben und die Welt von der heiteren Seite aus betrachten kann, das ist nichts Geringeres als herrlich.“
Nun las ich kürzlich bei meiner Recherche zur Thematik Resilienz folgendes Hochinteressante: der Niederländer Dr. Maurice Vanderpol (Psychiater & Psychoanalytiker) und Holocaust Überlebender, der 2014 im Alter von 92 Jahren verstarb, war eine herausragende Persönlichkeit in der Resilienzforschung. Dieser forschte jahrzehntelang exakt im angesprochenen Kontext und Personenkreis. Er fand heraus, das viele der KZ Überlebenden einen „inneren Überlebensmechanismus“ einsetzen konnten, den er „Plastik Schutzschild“ nannte. Ein Schild gegen akute Bedrohung und auch ein hilfreiches Werkzeug in der Nachverarbeitung von traumatischen Erlebnissen. Hier die Aussagen, durch welche Fähigkeiten Resilienz sich aufbaut und gekennzeichnet ist:
1.Die Fähigkeit, trotz dunkelster Episoden und Leidenswege, dass Leben humorig betrachten zu können. Ein ausgeprägter Sinn für Humor, der durchaus oft sehr schwarz sein kann, wirkt sich ausgesprochen gesundheitsfördernd auf den Gemütszustand und die Gesamtverfassung aus!
2. Die Fähigkeit empathische Verbindungen mit anderen Menschen einzugehen. Hilfe annehmen können, was auch das aktive Bitten um Hilfe mit einschließt. Menschen mit hoher Resilienz zeichnen sich keineswegs durch Einzelgängertum und harte Zähigkeit aus.
3. Die Fähigkeit einen „persönlichen inneren Raum“ herstellen zu können als Schutz vor Anderen.
Diese Fähigkeiten resilienter Menschen werden durch die genetische Prädisposition natürlich verstärkt. Resilienz könne aber, wie erwähnt, von allen Menschen erlernt werden. Das zeigt auch eine Harvard-Studie, mit dem Schwerpunkt Resilienz, die seit über 70 Jahren das Leben von über 280 Personen untersucht. Mitwirkend ist der Psychiater George Vaillant, der 2010 der ZEIT ein Interview zu dieser Studie gab.
In der Kernaussage stellte er übereinstimmend mit Vanderpol fest: die empathische Bindung zu den Menschen insgesamt ist der wohl wichtigste Faktor für Resilienz. Auch das resiliente Menschen zeigen, dass die Erlebnisse der Kindheit, selbst wenn sie schwierig waren, mit der Zeit nicht mehr so wichtig für ein erfolgreiches und glückliches Leben sind ist bemerkenswert.
Einen etwas anderen Ansatz Resilienz zu erzeugen, verfolgte Victor Frankl mit der „Logotherapie“ und „Existenzanalyse“. Frankl ein jüdischer Arzt, der als einzig Überlebender seiner gesamten Familie, mehrere Jahre in verschieden Konzentrationslagern verbrachte und von US Truppen befreit wurde. Dieser arbeitete nach dem Krieg in Wien in einer neurologischen Klinik mit psychisch erkrankten Menschen. „Logotherapie“ und „Existenzanalyse“ waren von Ihm entwickelte Therapieformen die ua. mit Fragetechniken dem Patienten die „Sinnfindung“ erleichtert. Die jüngste Forschung hat längst bestätigt, wie wichtig und wertvoll die Beantwortung der „Sinnfrage“ für die Heilung und einer erstarkten Resilienz ist. Eine dieser Fragen lautet: Wo liegt der Sinn in dem was erlebt habe, wie kann ich das für etwas Gutes zukünftig nutzen?
„Selbst Resilienz Coaching“ mit Achtsamkeit, Einstellung und Denkweise
Diese Erkenntnisse lassen jedenfalls aufhorchen. Denn es bedeutet, dass man zu einem großen Teil selbstverantwortlich seine eigene psychische Widerstandsfähigkeit mit der richtigen Einstellung und Denkweise bestimmen kann. Analyse, Achtsamkeit und Bewusstmachung sind sicher erste Katalysatoren bei einem Training um genannte Fähigkeiten zu erlernen und dauerhaft verfügbar zu machen. Resilienztraining ist Veränderungsarbeit, die durch einen erarbeiteten neuen Bewertungsrahmen ein neues Empfinden erzeugt. Das „Loslassen“ können, Abstand und einen anderen Blickwinkel zu belastendenThemen gewinnen stehen dabei im Fokus.
Ein radikaler Songtext aus den 70ziger Jahren drückt Veränderungsarbeit, drastisch aus, den man auch als Aufruf zur Resilienzstärkung verstehen kann.: „Macht kaputt, was euch kaputt macht“. Vom politischen Kontext mal abgesehen, ich glaube nicht, dass man sich erst dann besser fühlt, wenn man etwas kaputt gemacht hat. Jedoch könnten wir das auch als einen persönlichen Appell an uns selbst verstehen. In der Gestalt, dass wir den Gedanken „eliminieren“ können, nicht über uns selbst und der emotionalen Verfassung verfügen zu können.
Dank vieler wesentlicher Voraussetzungen darf ein jeder in unserer Gesellschaft völlig frei über seinen Körper und den Geist selbstbestimmt entscheiden. Wir sind da völlig frei, oder? Für diese Erkenntnis braucht es zunächst noch kein Resilienz Coaching.
Demnach haben wir also auch die Macht Gedanken, Umstände oder Verhaltensweisen zu unterlassen, die massiv unser Gleichgewicht stören. Praktisch das bewusste „Loslassen“. Oder wir können auch etwas Neues in unsere Einstellung integrieren, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Ob allerdings eine permanente Steigerung der Widerstandsfähigkeit gegen berufliche oder private Missstände, die durchaus veränderbar wären, ein sinnvoller Weg ist, bleibt zu bezweifeln. Zumindest immer dann nicht, wenn Gesundheit und Lebensqualität in der Spätfolge darunter leiden. Aber auch das unterliegt der Freiheit in der Wahrnehmung des Einzelnen.
Ändern was zu ändern ist, unterlassen, oder lernen zu akzeptieren was unveränderbar ist
Ich bin überzeugt, fern von Gegenbeispielsortiererei, wenn „es“ sich weder ändern, noch lieben lässt, hilft sehr oft nur unterlassen. Etwas zu unterlassen ist deutlich besser, als ständig etwas dagegen tun zu wollen, oder noch schlimmer tun zu müssen! Mit Methoden lernen unzumutbaren Zuständen gegenüber widerstandsfähiger zu werden, die durchaus veränderbar sind ist falsch. Es ist etwas anderes als Akzeptanz gegenüber Dingen zu schulen die nicht veränderbar sind.
Wer beispielsweise bei massiven Burnout- Zuständen oder Mobbing NUR an innere „Widerstandskommunikation“ oder Yoga als Lösungsmittel und Kompensation denkt, denkt auch, dass Streuselkuchen mit Ingwer gegen Raucherhusten hilft. Komplett aufzuhören mit dem Rauchen ist, hier wohl die einzig sinnvolle Technik. Entzug von der Beeinträchtigung ist manchmal der einzige Weg! Wenn ich schlechte Nachrichten, Mario Barth oder Leberwurst nicht leiden kann, weil sie meinen Geist und Gedärm vergiften, konsumiere ich die einfach nicht. Ist das so einfach? Ja! Was soll sonst ein wie auch immer gearteter Widerstand für einen Sinn haben?
Resilienz Berlin – oder „Das Märchen vom Widerstandskämpfer“
Nicht alle durchbrechen die Mauer aus gedanklichen Gewohnheiten, leiden aber ganz offensichtlich darunter. Warum? Weil Veränderungen des Öfteren wehtun, übrigens das einzige deutliche Merkmal wirksamer Veränderungen. Und was wenn Widerstand gegen die Veränderung selbst, im Ergebnis viel schwerere Wunden hinterlässt….?
„Durchhalteparolen“ zu verinnerlichen, zu lernen, wie man in einem Schützengraben unter dauerhaften Beschuss um jeden Preis standhält, heißt den Kriegszustand zu akzeptieren. Es wäre eine Zumutung für die Gesundheit, vor allem wenn Friedensverhandlungen möglich sind.
Besser als Widerstand gegen alles, ist, Menschen zu stärken und zu befähigen den Mund gegen „Missstände“, auch in sich selbst aufzumachen, um zu handeln und das Selbstwertgefühl zu steigern. Man muss den Begriff Resilienz im Zusammenhang mit einem Coachingprozess klar definieren. Was ist die Intention?
Coaching für Akzeptanz um Trauer, Verlust, Krankheit, Trennung besser bewältigen zu können ist sehr sinnvoll. Hingegen eine unkaputtbare „Nehmerqualität“ zu erreichen, die auch beim Boxen keine reale Qualität darstellt, führt zu Unsensibilität auch in der mitühlenden Verbindung zu anderen Menschen . Es käme einer emotionalen Gleichgültigkeit und „Schmerzfreiheit“ gleich und kann nicht Ziel eines Resilienz Coachings sein.
Beim Mobbing im Zusammenhang mit Resilienz ist entscheidend in welcher Phase, nämlich direkt im Mobbingprozess oder in der Nachverarbeitungsphase von psychischer Widerstandsfähigkeit gesprochen wird. Gegenüber Psychoterror, Verbalattacken und schikanöses Verhalten Ignoranz zu lernen, „es“ über sich ergehen lassen, ist bei Mobbing keine Option. Veränderung heißt hier in erster Linie raus aus der Opferhaltung!
Resilienz Berlin – Handeln besser als aushalten!
Wenn „Resilienz“ als das neue „Opium fürs Volk“ einschläfernd eingesetzt wird, packt es das Übel jedenfalls nicht an der Wurzel und kann böse Stressschäden zur Folge haben. Anknüpfend ein persönliches Erlebnis : Höchststress ist ganz sicher immer noch aktuell am ungeöffneten Flughafen BER der Fall, zumindest Terminstress. Ich hatte vor einiger Zeit das zweifelhafte Vergnügen einen Mitarbeiter aus dem technischen Management vom BER zu begegnen.
Als Interessent für ein Personal Training hatten wir ein Gespräch auf der Baustelle selbst vereinbart. In meinem Auto, ganz „konspirativ“. Eines vorweg, Resilienz und aushalten sowie auch Sport wären hier eine völlig sinnlose Strategie gewesen. Es war sehr aufschlussreich, traurig, lustig und irgendwie absurd gleichermaßen. Sind die Probleme im Kleinen ursächlich für die Großen? Dazu passt folgendes Zitat von Freigericht Ansgar Simon: „Ein zu schwerer Wagen kommt irgendwann zum stehen, egal wie viele Ochsen man davor spannt.“ Wer die Geschichte lesen möchte, der Artikel steht hier.
Interessanter Artikel! Resilienz gut und umfassend auf vielen Ebenen betrachtet. Ich finde „Ändern was zu ändern ist, unterlassen, oder lernen zu akzeptieren was unveränderbar ist“ bringt die ganze Thematik mit einem Satz auf den Punkt. Sich das berühmte „dicke Fell“ zuzulegen ist etwas anderes als Aktzeptanz und Achtsamkeit. „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ und Lachen bleibt die beste Medizin. Danke, Bert van Kampen