Immer wieder kommt es vor, dass mich Menschen kontaktieren, die zur Darstellung einer Person für die Bühne oder Film bestimmte physische Voraussetzungen erlangen oder wiederherstellen wollen. Der Hintergrund dieser Motivation ist das Wissen, dass vieles unfreiwillig unglaubwürdig wirkt, wenn Handlungen, Bewegungen und Körpersprache zur Darstellung kommen sollen, die nicht alltäglich und ungeübt sind.
Auch sportlich vorgeprägte Schauspieler, die in ihrer Ausbildung akrobatische Elemente, oder Fechten und Reiten erlernen mußten, können nicht aus dem Stand einen Boxer, Seewolf oder Geheimagenten spielen, die ja oft sogar „fliegen“ können und mit ihren physischen Kräften die gesamte Menschheit retten könnten (oder war das Superman?). Wer Computertechnik nicht überbeanspruchen, oder Regie und Kamera nicht verärgern möchte, weil nur bestimmte Einstellungen möglich sind, oder zu viel überspielt werden muss, muss trainieren, ganz klar.
Wer schön sein will muss leiden
Ob nun „Lola rennt“ und das wahrhaftig sichtbar tun soll, Kartoffelpüree mit bloßen Händen herzustellen ist ,oder “ Gentleman uns Henry“ ganz eigenen schmelingschen Sprachunterricht braucht, ist von der Höhe des angestrebten „Glaubwürdigkeitslevel“ der Kunstschaffenden abhängig.Feuilletonistische Hiebe muss jedenfalls derjenige einstecken, der keine gute Deckung hat um suboptimale Kenntnisse zu verdecken.
Eine Deckung gab es zB. für Sebastian Koch in der Rolle des Seewolfes nicht, der sich 47 jährig einem mehrwöchigem Kraft-und Fitnesstraining mit seinem Personal Trainer unterzog, um den extremen Dreharbeiten auf hoher See gewachsen zu sein.
Die Körpersprache sollte seewölfig wirken und kein kniewackelndes Überleben auf einer Butterfahrt darstellen. Selbst in Drehpausen hat Koch sein Programm absolviert um das antrainierte Niveau zu halten, auch um das liften des Seemannspullover nicht zu einem Fiasko werden zu lassen und Zweifler auch hier zu überzeugen. Auch das war sichtbar glaubwürdig und keine Pappmacheattrappe!
Personal Boxtraining als Schauspielunterricht
Neulich war in einem Tatort ein alternder Boxpromoter in einer kurzen Sequenz beim Boxtraining zu beobachten. Jeder nur halbwegs informierte Fernsehsportler konnte sehen, dass der Schauspieler in seiner Freizeit wahrscheinlich eher Golf spielt, nie jemals boxte und sich mit seiner Rolle nur sehr bedingt auseinandergesetzt hatte. Unglaubwürdig!
Die Übungen beim Training müssen den später geforderten Bewegungen gleich oder sehr ähnlich sein. Aber es gibt Grenzen, die man kennen und akzeptieren sollte, denn nicht ohne Grund gibt es Fachleute wie Stuntmans, die in diesen Grenzbereichen ihr Geld verdienen und Schauspieler doubeln. Zeit ist in jedem Falle erforderlich, die sich auch mein Klient der Schauspieler Jörg Gahr nimmt um den Boxer in dem Spielfilm “ Der zweite Weg“ , so der Arbeitstitel, überzeugend spielen zu können.
Mit zielorientiertem Training ist fast alles trainierbar, eine spezielle Fitness und so die Lust an glaubwürdiger Darstellung des Erlernten.
Leider beginnen die Dreharbeiten schon am 26. Januar, was bedeutet, wir haben nur wenige Wochen Zeit um dem Boxer Leben einzuhauchen. Dennoch haben wir uns vorgenommen, Bewegungsabläufe einzustudieren die zumindest über das Niveau einiger talentfreier Promiboxer hinausgehen, die meinen, sich bei sportlich äußerst zweifelhaften TV-Veranstaltungen medienwirksam, aber auch egotrippverdächtig prügeln zu müssen. Das Positive daran ist, dass die Einnahmen gespendet wurden und Bedürftigen zu Gute kamen. Ich werde berichten wie es gelaufen ist… Sport Frei
Nachfolgend Video Jörg Gahr beim Training. Stand Oktober 2010, leider nach deutlich weniger Trainingseinheiten als wir uns vorgenommen hatten. Trotz guter Ansätze gibt es noch eine Menge zu Üben für den zweiten Weg.