Von Billig Fitness noch keine Spur: was waren das für Zeiten, als wir uns in den Achtzigern mit Pudelmütze, Handschuhen und dicken Baumwolltrainingsanzügen, mit großer Freude und heißem Herz in die kalte „Muckibude“ bewegten. Es waren bewegte Zeiten, auch durch den politischen Wind der durch die undichten Fenster und Gespräche pfiff! Und man stelle sich vor: in den wenigen Traininglocations die existierten gab es Aufnahmekriterien. Zu meiner Zeit waren 150 kg beim Bankdrücken als Maximalversuch zu absolvieren um mit den Cracks trainieren zu dürfen!! Die Hantel zur Vorbereitung dafür wurde flugs selbst zusammengeschweißt.
Die Qualität und Konsistenz der damaligen Eiweißshakes war mit Tapetenkleister zu vergleichen. Deutlich ausgeprägte Muskeln waren eine Oase auf einer geheimnisvollen Insel, in vielerlei Hinsicht, und deutlich seltener im Straßenbild zu sehen als heute. Wir fielen jedenfalls stark auf, natürlich auch der Stasi. Diese studierte laut „Aktenlage“ unsere Tagesabläufe minutiös, die sich erheblich vom üblichen Arbeiter -und Bauernalltag unterschieden. Ein wenig später, bereitete ich meine Partnerin auf den 1. „Kraftsport – Kulturistik Wettkampf“ in der DDR vor und absolvierte so meine ersten Personal Trainer Stunden. Und: wir konnten uns sehen lassen!
Das „Blankziehen“ der Muckis hat Veranstaltern gesellschaftlicher Events einiges gekostet. Der stetige Konsum von Eisen und Eiweiss war ein Elixier. Eine Symbiose aus rostigem Stahl und gipsähnlichem Quark, egal, wir ertrugen es, dem Muskelherz gehorchend. Fitness aufbauende, bodybuildende Maßnahmen inklusive, waren mit einigen Schwierigkeiten verbunden, die dem jungen Fitnesssportler heute ein Grinsen ins Gesicht zaubert. Sei es drum, es soll hier kein trauriges Loblied auf niemals wiederkehrende alte Zeiten sein. Einige aktuelle Entwicklungen in der Fitnessbranche zollen mir jedoch als Fitnessdinosaurier, den einen oder anderen kritischen und dem Markt abweichenden Gedanken ab:
Die in die Breite des Landes gehenden Billigketten schießen derzeit wie Pilze aus dem Boden!
Vertragen sich die Qualität der Kundenmotive mit der Quantität und den Wachstumsbestrebungen der Anbieter? Die Ware Muskel wird mir jedenfalls ein Stück weit zu lauthals, billig und zu leicht angeboten, und so wird suggeriert es ist das günstige Studio das die Muskeln macht.
Die Leichtigkeit macht sich vor allem am Kampfpreis für das Trainingsetablisment fest. Damit ist es allerdings bei weitem nicht getan, der Ort reicht beileibe nicht! Das Fehlen oder der Verlust an echtem Urgeist, Engagement, Willen, Entschlossenheit, Schmerzresistenz und Enthusiasmus, zwingende und fundamentale Tugenden um Muckis zu produzieren, lassen sich nunmal auch nicht durch einen Spottpreis der Location zur Geburt verhelfen.
Heute sind jedenfalls die Horch und Guck unterwanderten Betriebssportgemeinschaften „hüben“ ausgestorben und die vielen, kleinen und „kuscheligen“ Fitnessfamilienstudios der 70&80ziger Jahre „drüben“ stark am Schwimmen. Das rettende Ufer, rückt dank der Angebote von Billigfitnessketten immer mehr in weite Ferne!
Das ist gut für Billigkettenfitnessbesitzer und den Billigfitnesskettenmanagern, die glauben die Motive und Wünsche der Billigfitnessfreunde studieren zu können wie Börsianer den DAX. Aber sind es die qualitativen Motive die aus dem Herzen sprechen oder doch nur Zahlen? „Dicke Muckis für alle, jetzt schon ab 9,90“ titelte „Die Welt“ kürzlich und spiegelt so exakt den Lockruf von Gewinnmaximierungsbilligfitnesskettenbetreibern durch ihre Sprecher wieder. Dicke Muckis für 9,90,-€ ? Falsch!
Billig, Billig, Billig, Geiz ist Geil und ich bin doch nicht blöd! Doch!
Wenn Du auf den Preis und nicht auf den Wert einer Sache schaust. Fitness und insbesondere „Muskeln“ kosten viel, sind aber von hohem Wert. Ein auch der Gesundheit dienliches Muskelkorsett kostet echtes Herzblut, dann klappt es in der Rendite auch mit dem Wohlfühlfaktor und folglich vielleicht auch mit der Nachbarin.
9,90 € kosten Teilweise Jahresverträge von Anbietern wie „High5“ als Ableger von „McFit“, „Superfit“, „Cleverfit“ und ähnlichen „Fitnessdiscountern“, viele etablierte Ketten ziehen mit Billigangeboten nach. „Wir öffnen den Markt nach unten und ermöglichen einer breiten Masse den Zugang zum Fitnesstraining ist Originalaussage! Sie zeigt das, was die Investoren den Marketingsprechern und Erfüllungsgehilfen bei ihrer „Einstellung“ auf die Festplatte gesprochen haben und sie der Presse zu verkünden haben. Und, wer oder was ist ganz unten würde mich interessieren?
„Der Markt ist erwachsener geworden und hat sich „diversifiziert“. Jetzt geht es darum, Kundenwünsche besser aufzugreifen und zu bedienen.“ Wow, was für ein humanitärer Akt, der breiten Masse etwas so elitäres so großzügig zu gestatten! Es ist wirklich keine fundamentale Neuentdeckung- der Markt war schon immer diversifiziert, viele Jahrzehnte vor den ersten Studien! Denn schon immer gab es Interessenten von vielschichtig trainierten und zu benutzenden Muskeln. Aber einige Menschen wollen oder wollten auch schon immer wenig investieren und viel erhalten, das ist ein alter Hut. Ob nun beim Functional Fitness, Bodybuilding, „Special Interest“, und/oder der Gesundheit dienendem Fitnesstraining. Diversifiziert oder nicht:
Fitnesstraining, auch muskelbildendes Training ist fast überall möglich, braucht keine Geräte auf High End Niveau oder einen Fitnesstempel.
Und Fitnesstraining im eigentlichen Sinne, ist schon seit Generationen der breiten Masse zugänglich, auch ohne das „generöse Wohlwollen“ von Billigketteninvestoren. Manchmal reicht das eigene Körpergewicht und „Geräte“ die die Natur anbietet, Schweiß, vor allem harte Arbeit und gewußt wie. Nur die genannten Primärtugenden sind unerlässlich. Es sind tief blickende Aussagen vom Ansager Karsten Hollasch, die man mit einem „Verdummungsverbot“ belegen müsste! Wer und was ist Karsten Hollasch in dem Zusammenhang? Hier eine Onlinevisitenkarte: Karsten Hollasch ist als Partner in dem Bereich Transaction Advisory Services in Frankfurt tätig.
Er verfügt über Erfahrung bei nationalen und internationalen Due Diligence Projekten und ist für Corporate sowie Private Equity Mandate verantwortlich. Zusätzlich ist er Leiter des Industriesegments Consumer Business und Transportation bei Deloitte Deutschland und damit auch für die deutsche Sport Business Gruppe zuständig. Also ein Mann der wirklich weiß woher der Wind weht, ein Trendtrüffelschwein, ein tatsächlicher „Wissler“ der sagt wie die Fitnesswelt sich dreht und tickt. Schlichtere Gemüter sagen er ist ein Berater.
Wachstum gibt es in vielerlei Hinsicht, – die Frage ist nur wie?
Und dieser meint und Zahlen belegen es: der Fitnessboom und Trend zu mehr Fitness in der Bevölkerung sei ungebrochen und längst nicht am Ende. Unabhängig mal von der wirtschaftlichen „Unlogik“ in wachsenden Zeiten mit Billigangeboten an den Markt zu gehen. Die „Tiefenanalyse“ dient doch nur dazu aus Geld mehr Geld machen zu wollen, und nicht aus Gesundheit und Fitness noch mehr Gesundheit und Fitness in der Bevölkerung herzustellen. Wie dem auch sei, wenn Wachstum im Konsum von Billigfitness zu einem Rückgang von Adipositas, Diabetes, Depressionen, Herz Kreislauferkrankungen und Rückenproblemen führt ist Wachstum von „Geiz ist Geil“ legitim. Führt das stetige Wachstum von Zulassungszahlen und Autoverkehr in Deutschland, zu einem analogen Anstieg von mehr Verkehrsberuhigung, Sicherheit und fließendem Verkehr? Ich glaube dem ist nicht so!
Eine andere erhellende Aussage von Sprecher Hollasch: „Ein teures Studio ist ein anderes Produkt, eins für ganz bestimmte Kunden. Es gibt ja auch Käufer für einen 3er BMW und einen 5er Audi. Das ist eine andere Klientel, die sich woanders nicht wohlfühlen würde.“ Das ist richtig Herr Hollasch! Sie verkennen dabei allerdings, dass alle, auch die Discountnutzer im „Endergebnis Körper“ eine Mercedes S-Klasse fahren wollen! Mit dem Preis für einen Trabant den sie dafür ausgeben wollen, ist nunmal noch kein Mercedes in Sachen „Geist“, die Essenz für Fitness, Gesundheit und Muskeln gekauft. „Trainingsgeist“ kostet noch weniger als 9,90 € im Monat, ist aber leider eine große Mangelware Herr Hollasch.
Und wenn Sie glauben rentabel arbeiten zu können, dann doch nur weil Interessenten sich inflationär bei Ihnen einschreiben, Sie aber gaaanz bewusst mit dem „Nichterscheinen“ und der sterbenden intrinsischen Motivation dieser „Schläfer“ rechnen. Sehr viele werden ihre Ziele nicht erreichen und kündigen. Aber das ist Ihnen ja egal, weil sie mit aufwendigen Werbekampagnen dafür sorgen werden, das stets mehr neue Mitglieder kommen als alte gekündigt haben. Ein Durchlauferhitzerprinzip! Sicher, einige Sportle werden, bedingt durch ihre guten Vorkenntnisse dort im „Fitnessaldi“ auch ohne Anleitung vielfältige Trainingsmöglichkeiten vorfinden. Aber auch die breite Masse auf die so gezielt wird?
Echte, fachlich kompetente Betreuung kostet Geld
Die Personalkosten – also echte Betreuung – , sind mit nur einem „Gymmanager“ nochmals nach unten, praktisch gen null geschraubt worden. Und die Wartung, Sauberkeit und Sicherheit? Personal Trainer kosten dort extra, 40,-€ für 45 min. Aber gerade jene Menschen, die sich angesichts des Preises für 9,90,- im Monat erstmalig für Sport und ein Studio entscheiden, benötigen beim Trainingseinstieg längere Zeit fachliche Hilfe um korrekt zu trainieren und Ziele zu erreichen.
Ob diese sich einen „Billig Personal Trainer“ leisten werden, von dessen Arbeitsertrag sich die Ketten noch 50% einverleiben? Ob diese Trainer dann in der Folge motiviert bleiben? Wie viele Kunden muss ein solcher Trainer am Tag bedienen, wenn ihm pro Einsatz nur 20,-€ gutgeschrieben werden? Ist dieser am Abend beim 8. Klienten, der über seine Bandscheibe, Borreliose, oder Depressionen berichtet immer noch konzentriert und nicht völlig überfordert?? Kurzum: Training für Neueinsteiger ist ohne gute Betreuung eher schädlich als der Gesundheit dienlich!
Gerade heute, während eines Ersttrainings berichtet mir ein Klient, dass er mehrfach bei verschiedenen Ketten Personal Trainer gebucht hatte, Oberflächlichkeiten und Enttäuschungen inklusive. Zugleich verwundert und positiv überrascht über meine Arbeitsweise meinte er es wäre „kein Vergleich“. Nichts gegen die jungen Trainer die in solchen „Billigstudios“ ihre ersten Erfahrungen in Sachen Personal Training machen. Ob diese Trainer tatsächlich als Personal Trainer, dieses Berufsbild neben den fachlichen „Skills“, zusätzlich mit all seinen wichtigen sozialen Facetten auskleiden können ist sehr fraglich. Ob hier einige zu große Schuhe tragen, müssen Kunden offensichtlich erst durch Erfahrung lernen.
Auch beim „Billig Fitness Training“, wird am Ende immer draufgezahlt
Tja, ob billig besser ist und in den wirklich wichtigen Bereichen zum Ziel führt, ist jedenfalls sehr fraglich und muss jeder für sich selbst beantworten. Ich möchte mit John Ruskin einem britischen Sozialphilosophen des vorigen Jahrhunderts anknüpfen, der sagte: Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht jemand ein wenig schlechter machen und etwas billiger verkaufen könnte. Und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Machenschaften.
Es ist unklug zuviel zu bezahlen, aber es ist genauso unklug zu wenig zu bezahlen. Wenn Sie zu viel bezahlen, verlieren Sie etwas Geld, das ist alles. Bezahlen Sie dagegen zu wenig, verlieren Sie manchmal alles, da der gekaufte Gegenstand die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen kann. Das Gesetz der Wirtschaft verbietet es, für wenig Geld viel Wert zu erhalten … Das funktioniert nicht. Nehmen Sie das niedrigste Angebot an, müssen Sie für das eingegangene Risiko etwas hinzurechnen. Wenn Sie das aber tun, dann haben Sie auch genug Geld, um für etwas Besseres zu bezahlen.
Crossfit Gym’s schießen ebenfalls wie Pilze aus dem Boden,- Back to the Roots?
Zu guter Letzt: „Der Markt hat seine eigenen Gesetze, die Marktentwicklung zeigt dies und das, der Markt braucht ständig Erneuerungen, wir kommen am Markt nicht vorbei usw.“.. Wer ist denn der Markt? Der Markt sind doch Menschen. Wenn der Markt „erwachsener geworden“ ist, wie Sprecher Hollasch sagt, dann ist das lediglich eine Unterstellung aus dem Labor. Ab wann ist denn etwas erwachsen geworden und wie ist erwachsen zu definieren? Darum stirbt meine Hoffnung zuletzt, dass sich irgendwann der „Markt“, in dem Fall der Fitnessmarkt, völlig neu und gegensätzlich und „back to the roots“ und somit „erwachsen“ entscheidet.
Weg von billigem Geiz, weg von Anonymität, weg von Schnelllebigkeit, weg von Oberflächlichkeit, weg von „Retortenfitness“, weg von monetärer Gewinnmaximierung. Die vielen Crossfit Gym’s, die sich in letzter Zeit in den Ballungszentren etablieren zeigen jedenfalls eine parallele Entwicklung. Die Bewegung hin zu wirklich wesentlichen Werten, zu den familiären „Muckibuden“, zu mehr sozialen Bindungen, zu qualitativ guter und engmaschiger Betreuung, zu mehr Herzblut und „Trainingstiefe“, zu mehr Miteinander scheint mir erwachsener und fortschrittlicher denn je. Sport Frei!