Wenn der aktive Bewegungsapparat gestärkt wird, respektive die Muskulatur, dann werden Schmerzen längerfristig geringer. Dies schafft gleichzeitig auch eine gute Körperhaltung, wenn man die richtigen Regionen anspricht, insbesondere den Rücken. Die Wirbelsäule wird stabilisiert und der passive Bewegungsapparat in seiner Gesamtheit  unterstützt.
Alles richtig, aber Sie ahnen vielleicht, dass dieser Beitrag nicht so geradlinig verlaufen soll, wie es die Einleitung suggeriert. Dieser  Beitrag soll über den Tellerrand des Trainingsalltags hinaus schauen. Er soll allgemein gültige Erkenntnisse nicht ad absurdum führen. Aber er soll dafür sorgen, dass man insbesondere als Personaltrainer immer wieder für die Aktualität des eigenen Wissens sorgt. Denn Professionalität erfordert Aktualität. Und beides sind wir unseren Klienten schuldig.

Faszien - "Muskelfaserbündel"

Faszien – „Muskelfaserbündel“
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In diesem Beitrag also geht es um Faszien. Im engeren Sinne, Bindegewebe. Diese Faszien umschließen nicht nur jeden Muskel im Körper, sondern auch Bänder, Sehnen, und sämtliche Organe.

Sie bilden eine Art dicht gewebtes Netz und geben den genannten Strukturen Form und Konturen. Dabei bestehen Faszien aus Kollagen, Elastin, Zellkörpern und viel Wasser, das als Schmiermittel funktioniert.

Wenn sie den Muskel eng umschließen, so muss es eine Art Wechselwirkung zwischen Muskel und Faszien geben. Die gibt es auch. Aber dazu später mehr. Der Vollständigkeit halber soll erwähnt werden, dass Faszien auch wichtig fürs Immunsystem sind. Von dort werden nämlich Abfallstoffe ins Lymphsystem transportiert, aber auch Immunzellen sind in den Faszien vorhanden. Sie bekämpfen dort beispielsweise Bakterien.

Die Faszie ein Sinnesorgan

 

Was also zu erkennen ist: die Faszie scheint ein aktives Umfeld zu haben. In der Wissenschaft spricht man mittlerweile von einem Sinnesorgan. Vom komplexesten Sinnesorgan sogar, das der Mensch besitzt. Das ist so, weil Faszien dicht mit Schmerzrezeptoren und Nervenenden besiedelt sind (viel mehr, als beispielsweise auf den Augen vorhanden). Das bedeutet, dass sie Schmerz übermitteln können. An dieser Stelle wird es für die Schmerztherapie, aber auch für jeden Trainer oder Trainierenden interessant.

Heutzutage gibt es sogar unter Medizinern die Einstellung, dass zu viele Bandscheibenoperationen durchgeführt werden. Doch bei einem Großteil der Betroffenen tritt später keine Linderung der Schmerzen ein. Obwohl es nach der Operation keine strukturellen Defizite mehr im Skelett gibt. Ebenso scheint die Muskulatur keine Schuld daran zu tragen. Doch irgendwo muss der Schmerz nun mal her kommen. Seit 2013 verbreitet sich unter Medizinern die Meinung, dass die Faszien eine entscheidende Rolle spielen. Dafür ist eine typische Fähigkeit der Faszien ganz entscheidend:

Sie können sich unabhängig vom Muskel zusammen ziehen und verkrampfen.

 

Dieser Punkt ist ganz wichtig, denn er belegt; auch wenn die Muskulatur entspannt und in Ordnung ist, so kann es doch Verspannungen geben. Nur eben in den Faszien. Und da diese den Muskel umgehen, wurde die Schmerzursache falsch lokalisiert: nämlich in der Muskulatur und nicht im Bindegewebe. Das hat zu Folge, dass alle Therapiemaßnahmen, die dementsprechend den Muskeln ansprechen sollten, scheitern mussten.

Aber wie verspannt so eine Faszie nun? Oder besser gefragt, warum?

 

Das kann mehrere Ursachen haben. Stress spielt eine ganz eminente Rolle. Denn in Reaktion auf Stress, wie beispielsweise bei Schlafstörungen oder Depressionen, aber auch bei akuten Schmerzen, werden (Stress)-Botenstoffe frei gesetzt -> die Faszie versteift. Zu wenig Bewegung führt dazu, dass die Faszie verfilzt. Deswegen wird heute bei Kreuzschmerzen dem Patienten nicht mehr geraten, Bettruhe zu suchen, sondern ganz im Gegenteil ist Bewegung der Kernpunkt des Heilungsprozesses.

Es ist  darüber nachzudenken, ob verklebte und verfilzte Faszien nicht eine häufige Ursache für Rückenschmerzen sein könnten.

 

Das Problem in der Medizin besteht momentan noch darin, dass Veränderungen im Bindegewebe durch MRT, CT und Röntgen nicht erkannt werden können. Da die Faszien aber unter der Haut liegen, kann man sie zumindest ertasten. In speziellen Massage(Rolfing)- und Therapiemethoden(beispielsweise beim Osteopathen), werden verklebte Stellen im Bindegewebe erfühlt und durch langsamen, stetigen Druck aufgelöst. Neu entwickelte Ultraschallgeräte sollen nun jedoch mittlerweile in der Lage sein, Veränderungen in den Faszien zeigen zu können. Die „Entklebung“ des Bindegewebes erfolgt jedoch weiterhin manuell.

Durch die gezielte Massage, kommt es wieder zu Flüssigkeitsverschiebungen im Bindegewebe, d.h. vorher gab es durch die Verklebung Bereiche, in denen keine Flüssigkeit vorhanden war. Die Flüssigkeit verteilt sich wieder regelmäßig und schmiert die Faszie, was dafür sorgt, dass die Verklebung und damit verbunden der Schmerz, verschwinden.

Kann ich Bindegewebe gezielt durch Training stärken und/oder Verklebungen auflösen?

 

Die entscheidende Frage besteht nun darin, was ich mit dem Wissen über Faszien im Trainingsalltag mache. Fakt ist: durch keinen Sport oder herkömmliche Bewegungsmuster kann man seine Faszien aktiv stärken oder Verklebungen auflösen. Dennoch ist erwiesen, dass unter dem Einfluss eines vorrangig isometrischen (Kraft)-Trainings eine Zunahme der Querschnittsfläche (Hypertrophie), der Skelettmuskulatur, sowie eine relative Vermehrung des interstitiellen lockeren Bindegewebes zu beobachten ist, wodurch das Muskelgewebe mechanisch verfestigt wird.

Faszien passen sich ebenso passiv, wie Sehnen und Bänder an ein Muskeltraining an.

 

Man kann hier durchaus von einem gewissen Trainingseffekt sprechen.
Verfilzungen allerdings können tatsächlich nur durch einen manuellen, subtilen Druck gelöst werden. Dabei kommt es wie bereits erwähnt zu einer Flüssigkeitsverschiebung, aber auch zu einer Tonusänderung im Bindegewebe, wodurch die Verspannung gelöst wird. Dieser Druck muss nicht von einer externen Person durchgeführt werden, sondern kann auch durch Selbstmassage ausgeführt werden. Dafür wird eine Massagerolle verwendet, die optimal in die allgemeine Erwärmung integriert werden kann.

Ich möchte abschließend betonen, dass es immer sinnvoll sein kann, offen für neue Erkenntnisse zu sein. Ursachen für bestimmte Probleme, wie Schmerz, liegen nicht immer auf der Hand und manchmal muss man lange und intensiv suchen. Doch das ist es, was einen wichtig Teil des Personal Trainers ausmachen sollte.