„BeLIVE in your passion“ heißt das Fitnessevent von Reebok und Les Mills, welches in diesen Spätsommertagen in der Berliner Max Schmeling Halle zum Stelldichein der Fitnessgemeinde lud. Unüberhörbar gut brüllte der „Löwe der Aerobic“ im Vorfeld. Diesmal sollte in der „Atmosphäre eines Rockkonzerts“ zu erleben sein was Fitness wirklich bedeutet, hieß es richtlinienkompetent. Mit Superlativen wurde nicht gespart, die Neugierde war geweckt. Die Gelegenheit war da, dass alte Tätigkeitsfeld Aerobic mit seinen Trends und Tendenzen, in diesem speziellen Falle aber auch ganz im Allgemein wieder einmal von gestern und heute zu betrachten.
Ein rhythmisches Krawumm, viele hundert Meter von der Halle entfernt ließ erahnen, dass die schweißgeschwängerte Luft keineswegs dünner sein würde als bei einem Rolling Stones Konzert in den 1970ziger Jahren.Und richtig, den Presseeingang passiert, erschloss sich schnell dem Auge, dem Ohr und der Nase, hier wird Fitness wirklich gerockt. Kein Wunder, denn Les Mills suggeriert ja seinen Instruktoren in spe seit geraumer Zeit , sie innerhalb der Ausbildung zum Rockstar zu machen.
Wer kann dazu schon nein sagen: Inspiration zum Fitnessworkout auf höchstem Niveau, mit Sport und Spaß, animiert durch ziemlich echte Rockstars und einem Technikfeuerwerk 3.0. Am Rande fanden Fitnessfood und Energiedrinks, neuste Funktionskleidung, Körperanalysen, Equipment und Merchandising aller Art , inklusive Vaseline und Blasenpflaster reißenden Absatz bei den Fitnesspartygästen. Und da gab es eine Menge, 2400 Teilnehmer sagten jedenfalls ja zum Event.
Les Mills & Reebok tragen ganz groß auf: von Beats bis Blasenpflaster !
So auch Marlene 52 aus Gießen, bekennender und reisender Les Mills Groupie, wie sie selbst sagt. Ob im Club Aldiana auf Fuerteventura, oder in Berlin Prenzlauer Berg, sie ist dabei wenn es um Neuigkeiten geht. Sie hat einfach Spaß die bewährten Les Mills Formate wie Bodypump, Bodyattack, Bodycombat und Grit in immer wieder neu choreografierter Form in den letzten Reihen des großen Teilnehmerpulks „mitzuturnen“. „Da kann man auch mal schummeln“, wie die sympathische und stabile Immobilienverwalterin schmunzelnd zugibt. Mittlerweile ist eine richtige Community entstanden, die sich regelmäßig bei Veranstaltungen wieder begegnet, ergänzt sie. Nationale und Internationale Mastertrainer (Rockstars) präsentieren die neuesten Programm- Releases war angekündigt.
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Neu bei solchen Events sind stets die Musikauswahl , die Reihenfolge, die Kombinationen und Zusammenstellung der Bewegungen und Übungen, nicht die Übungen und Bewegungen selbst. Aber wer diese Erwartungshaltung hat, denkt sicher auch, dass Keith Richards mit einer Luftgitarre Musik machen kann. Bemerkenswert ist die Atmosphäre schon, wenn hunderte Fitnessfans gleichzeitig die Pumphantel drücken, neuste Tanzschritte üben und und zu lauten Beats im Dunkel in die Luft springen und Ihre „Rockstars“ im Rampenlicht auf der Bühne anhimmeln. Unbeschreiblich sagen die Veranstalter dazu . Ich versuche es trotzdem: gruppendynamische Prozesse sind Dank der stimulierten Spiegelneuronen Teil der Szenerie. Eine Lichtshow, die das Dunkel der Kursflächen zeitweise erhellte und Soundeffekte taten ihr übriges. Animation in einer Mischung aus Boot Camp und Love Parade.
Wer erzielt welchen Mehrwert? Ist die Fitnessindustrie inhaltlich gewachsen ?
Spaß ist unverkennbar ein wesentlicher Faktor für viele Teilnehmer, auspowern in der Gemeinschaft für die meisten essentiell. Das war schon in den frühen 80ziger Jahren so, als Aerobic begann das Angebotsportfolio der Fitnessstudios zu erweitern. Damals suchten vorwiegend die Damen, neben ihren bodybuildenden Herren zusätzliche sportliche Unterhaltung. Da war auch noch ein Frottee Stirnband als Schweißfänger ausreichend, gegenwärtig ist von Kopf bis Fuß alles „functional“.
Die Dynamik ist unverkennbar. Würde es den Kursbereich heute in seiner vielschichtigen Ausprägung nicht geben, die exorbitante Expansion vieler Fitnessketten wäre nicht realisierbar. Wer auf dieses Marktsegment verzichtet, muss mit deutlich kleineren Stücken vom Kuchen leben, eher ums Überleben kämpfen. Viele größere Ketten aber auch kleinere Studios lassen es sich jedenfalls etwas kosten „Les Mills“ Kurse anzubieten und mit der Marke werben zu dürfen. Denn für das Anbieten und instruieren angesprochener Kurse, mit jeweils neuen Choreografien fallen regelmäßig Lizenzgebühren an. Vor Ort war so Gelegenheit für viele Instruktoren Lizenzen erneuern zu lassen und gleichermaßen zu schauen wie die Stars der Szene die Aerobicwelt im innersten zusammenhalten.
Ist der Aerobicbereich besser oder nur anders geworden? Bedeuten diese Bretter die Fitnesswelt?
Ich begann mich zu erinnern, an meine Kursleader und Aerobic- Instruktor Zeit Ende der 90ziger Jahre: Kraftwerk, Military, oder Shadow Boxing hießen nicht ohne Grund unsere Kurse, die uns stets einen vollen Kursraum bescherten. Kampf- und Fitnesssportler sowie Athleten andere Sportarten kreierten Kurse mit rhythmischer Musikbegleitung und dem bekanntem Cueing, häufig noch in Eigenregie ( standardisierte verbale und nonverbale Instruktionen) . Nach Basisausbildungen, war für den strukturellen Aufbau, die Inspiration, Abwechslung und letztlich Entertainment der Teilnehmer der jeweilige Instruktor noch selbst verantwortlich. Erfolg oder Misserfolg stellte sich durch die Teilnehmerdichte dar.
Entertainment Verantwortung wird ausgelagert
Dieser Verantwortung waren und sind nicht alle Instruktoren gewachsen. Die Gefahr für Studioinhaber besteht dann darin, ihre Mitglieder manchmal mit einseitigen und eingestaubten Konzepten oder uninspirierten Instruktoren zu langweilen. Um dieses stetig gewachsene Potenzial an Interessenten für einen abwechslungsreichen und unterhaltsamen Kursbetrieb nicht zu verlieren, lagern viel Studios die Erstellung von Konzepten und Choreografien immer mehr aus. Les Mills ist bei dieser Entwicklung nur ein Anbieter, der die Bedürfnisse auf diesem wachsenden Markt bedient. Bei genauer Betrachtung sind durch Nachfrage von Ketten und Studios, Abonnomentenverträge und gestaffelte hierarschiche Ausbildungstrukturen entstanden, die einem detalliert geplanten Strukturvertrieb sehr ähnlich sind.
Ist mehr Fitness , oder ist Fitness industrialisierter und technisierter geworden?
Obwohl früher nicht alles besser war, so ist mit dieser starren Vorgabestrategie ein austrockenen an eigener Kreativität und Begrenzung an Spontanität des einzelnen Instruktors nicht ganz von der Hand zu weisen. Wer ausschließlich mit Navigationsgerät seine Kurse fährt, verliert auf Dauer das Gefühl selbstständig und mit persönlicher Note das Ziel zu finden. Egal wo ich Les Mills „Bodycombat“ absolviere, es unterliegt von der Ostsee bis Oberammergau und vom tiefen Westen bis zur Oder einer Profillosigkeit und Gleichschaltung, Schritt und Tritt sind festgelegt. Dann, wenn man sich als Instruktor diesem Diktat unterwirft.
Die Wahrnehmung bleibt natürlich durch das Interesse geprägt
Vera 45 aus Dresden, Instruktorin und ebenfalls Les Mills Fan, angereist mit den Mitglieder ihres Heimatstudios ist sich sicher: solch ein Fitnesshighlight sind Teambuilding, Schulung durch das Lernen von „Mastertrainern“ und Sightseeing in einem. Hier soll jetzt nicht seriöse Groupfitness und Sportanimation per se, gegen didaktisch progressive Trainingsteuerung und individuelle Übungsbegleitung aufgewogen werden. Eines fiel jedoch schon deutlich auf, auch bei dieser Veranstaltung, und da wird alter Wein wohl nie mehr jung: jene Teilnehmer die am intensivsten Hilfe gebraucht hätten, trainierten heute bei Les Mills wie auch früher anderswo unerreichbar für Korrekturen vor sich hin. Trotz aller Bemühungen der Anbieter gesundheitsorientierte, neuste sportwissenschaftlich und biomechanische Erkenntnisse in den Aerobicbereich von „Powerkursen“ einfließen zu lassen, bleiben die alten die aktuellen Risiken.
Falsche Techniken bleiben zu oft unkorrigiert
Es werden durch den sehr hohen Animationsgrad immer mehr Menschen ohne jegliche Vorerfahrung auch in Powerkurse gelockt. Einerseits ist es natürlich erwünscht, dass mehr Menschen so den Weg ins Studio und vor allem zur Bewegung finden. Andererseits bleibt der Spagat des Instruktors, innerhalb eines Gruppentrainings sich auf seine Moderation und gleichzeitig auf eine korrekte Ausführungstechnik aller Teilnehmer zu konzentrieren. Denn der „Rockstar“ kann seinen Auftritt nicht unterbrechen, die Bühne verlassen, um einigen Teilnehmern die korrekten Techniken persönlich beizubringen . Wenn er den Fluss und Ablauf des Kurses nicht gefährden will, muss es sehenden Auges billigend in Kauf nehmen, das Teilnehmer Übungen falsch ausführen. Sonst wäre es Persönliches Training und das ist weit entfernt vom dem was an Individualität im Kursbetrieb leistbar ist.
„Power Spinning“ gibt es seit Jonny G. Mitte der 1980ziger Jahre
Die typischen Fehler, die Einfluss auf Gelenke und Skelett haben, bei Kniebeugen, Kicks, Punches und diversen Körperkernübungen waren unverkennbar, für jeden Profi. Und auch so manche kopierte „Technik“ beim brandneuen Cycling Programm „Les Mills Sprint“, welches die fortgeschrittene Klientel ansprechen soll, wurden von einigen suboptimal kopiert. Das ließ den inneren Physiotherapeuten manchmal aufschreien . Auf dem Indoor Bike sollen bei Les Mills Sprint schnellstmögliche Resultate durch kurze hochintensive Belastungen in einem nur 30 Minuten andauerndem Workout erzielt werden. Ist das neu? Immer intensiver, immer wirkungsvoller, mit immer besseren Ergebnissen soll es sein, mit dem so sehr gewollten Nachbrenneffekt.
Irgendwie ergeben sich bei jedem Hype auch immer grundlegende Fragen. Die technische Entwicklung ist rasant dynamisch, in vielen Bereichen. Sind aber die Grenzen des menschlichen Körper immer weiter ausdehnbar? Früher gab es Pergamentrollen und heute E-Books, damals war Stummfilm heute Flachbildschirm mit HD Bildern, früher haben wir Kalorien gezählt heute nehmen uns Apps das Denken ab. Ist ein Neuentwicklung auf den Fitnessmarkt immer wirksamer und gewinnbringender als die vorhergehende wie uns Marketingabteilungen suggerieren wollen?
Ist NEU wirklich immer besser und ist NEU wirklich NEU?
Gibt es durch computergesteurtes Lauftraining, sprechenden Pulsuhren und High Tech Pulver auch eine linear ansteigende Anzahl von fitteren und gesünderen Menschen? Die Nachfrage nach Gesundheitskonzepten ist ungebrochen strak. Es gibt auch kaum ein vergleichbar besseres Gegenmittel als Sport um Stresshormone die uns der Alltag in den Körper einschießen lässt abzubauen. Ob mit Höchstintensität, mehr Technik, mehr Biss und Entertainmentmehr auch mehr Gesundheit erzielt wird?Denn dafür muss Dosis und Intensität regelmäßig stimmen. Und nicht immer ist das was auf dem Etikett steht, das was der Bewegungswillige und Gesundheitsorientierte braucht.
Les Mills kann auch trendgehorchend „Soft Rock“
Unter diesen Aspekt ist ein Gegenentwurf äußerst positiv, Les Mills Bodybalance eine Mischung aus Yoga, Tai Chi und Pilates Workout, ein Kursangebot für den gestressten Mitteleuropäer mit der Erkenntnis: „auf Dauer hilft mir nicht immer Power“. Wie in jedem Lebensbereich so auch beim Fitnesstraining. Das was für den einen Leibspeise bedeutet, ist für den anderen eine Vergewaltigung der Geschmacksnerven. Und: Jeder muss wissen wohin sein Schiff segeln soll, sonst ist kein Wind der richtige.