Noch immer sind sich die Anwender von Erkenntnissen der Sportwissenschaften und deren Interpretation zur Thematik Dehnung/Stretching(engl.) uneinig. Es wird kontrovers diskutiert ob ein Dehnungsprogramm für Sportler sinnvoll ist. Viele, auch Experten, sehen die Intention beim dehnen oder stretchen als probates Mittel gegen Muskelverkürzungen und Bewegungseinschränkungen. Klar ist hingegen schon, dass sich der Muskel selbst nicht verkürzen kann und auch nicht dehnbar ist. Vielmehr verkürzen sich die weiterführenden Strukturen eines Muskels, wie der Sehnenapparat der muskuläre Bewegungsreize auf das Gelenk weiterleitet. Faszien, ein netzartiges Gewebe, welches die Muskulatur umschließt kann verkleben, sich zusammenziehen und verhärten und damit die Bewegungen eines Muskels eines Muskel einschränken. (Faszienrolle einsetzen!)

Stretching – gegen Muskel- oder Sehnenverkürzung, Gut für’s Variete.
Foto: pulgunito flickr.com
Es gilt als bewiesen, dass es eine anatomisch-strukturelle Muskelverkürzung nicht gibt! Der Muskel kann nicht an Länge zunehmen und auch nicht schlanker werden. Vorweg: der Zeitpunkt, der Umfang, die Sportart und auch die Zielsetzung des Stretchingprogrammes entscheiden über die Sinnhaftigkeit.Der Glaube man könne mit einem Stretchingprogramm unmittelbar nach einem Training einem Muskelkater vorbeugen entspricht nicht der Realität. Denn ein überschwellig beanspruchter Muskel erfährt innerhalb der Faserstruktur Mikrotraumen, die mit weiterer Belastung durch Dehnung den „Heilungsprozess“ eher verlängert. Und eine Kraftleistung lässt sich mit einer zuvor ausgeführten, intensiven statischen Dehnung auch nicht steigern, da dadurch die benötigte Muskelspannung abgesenkt würde. Erwärmung ist wichtig, sollte aber hier nicht mit umfänglicher statischer Dehnung verwechselt oder zusammengeworfen werden.Ein kurzes dynamisches Dehnen mit Vorsicht, (federn,wippen) bei Schnellkraftleistungen oder Krafttraining hingegen, ist im Vorfeld schon hilfreich für die lokale Durchblutung und fördert die neuromuskuläre Ansteuerung der zu trainierenden Muskelgruppen und deren Zusammenspiel.
Stretching, der richtige Zeitpunkt ist wichtig
Stretching innerhalb eines Aufwärmprogramms, (wobei hier allgemeine Erwärmung vor Dehnung stattfinden sollte) ist auch bei nachfolgenden Ausdauerleistungen sicher nicht schädlich aber wirkt sich keinesfalls stimulierend auf die Leistung aus. Wenn man aber sachlich bedenkt, dass aus fehlenden oder einseitigen Bewegungsreizen Sehnenverkürzungen resultieren können, die Bewegungseinschränkungen und einen pathologischen Scherdruck produzieren und in der Folge zu einer unsymmetrischen Belastung auf das Gelenk führen, ist Stretching ein wichtiges Werkzeug dagegen. Ein klassisches Beispiel für Sehnenverkürzungen, insbesondere bei der rückwärtigen Beinmuskulatur, lässt sich immer wieder bei Läufern mit einem sogenannten Läuferknie beobachten (Patellaspitzensyndrom oder Sehnenansatzreizung).
Begleitendes Training zum Stretching unverzichtbar
Manche führen über Jahre nur ihr Lauftraining, ohne begleitendes Krafttraining und Stretching durch, mit dem genannten Ergebnis der dann auftretenden Scherkräfte an der Vorderseite des Knies. Eingefügt sei an der Stelle das ein Klient von mir, sich erst durch einen immer wieder von mir geforderten und damit auch langfristig durchgeführten Dehnungsteil, innerhalb des Personal Trainings überzeugen lies. Vor allem durch das erlangte besseres Körpergefühl, und den vollen Zugriffe auf alle Bewegungsamplituden seiner Gelenke haben wir das erreicht.
Die erzielten Ergebnisse sind weitaus besser, als ohne Stretching
Für einen Marathonläufer mit 51 ist da viel innere Überzeugungsarbeit zu leisten! Ein umfängliches Dehnungsprogramm zur Vorbeugung gegen Sehnenverkürzung und damit auch zur Vermeidung von Bewegungseinschränkungen und Verletzungen sollte schon ein Bestandteil des gesamten Trainingsprozesses sein. Definitiv! Wichtig ist dabei, es als separate Trainingseinheit anzusehen. Nicht unmittelbar vor und direkt nach einer Trainingsbelastung ist hier die wichtigste Faustregel.
Ich stimme Roberts Einschätzung zum Thema Stretching zu.
Mir ist momentan keine empirische Untersuchung ( Stand: September 2012) bekannt, die einen positiven Einfluss von Stretching oder Dehnung auf Muskelkater nachweisen kann.
Wenn man sich vor Augen führt, was Muskelkater physiologisch ist, dann ist diese Erkenntnis auch nicht weiter verwunderlich. Schließlich ist Muskelkater, wie von Robert beschrieben, ein Mikrotrauma im Muskel, also ein kleiner Riss(Wassereinlagerungen in den Z-Scheiben der Myofibrille führen dann zum Schmerz). Und was passiert mit einem Riss, wenn ich ihn dehne? Er wird natürlich größer. Also sollte sich der Muskelkater dadurch vergrößern.
Irrationaler Weise jedoch höre ich oft von Trainierenden, dass Dehnung nach dem Training ein positives Gefühl in ihnen hervorruft. Das kann daran liegen, dass das Training schlicht nicht „hart“ genug war, sodass gar keine Traumata entstanden sind oder es „ist einfach so“. Weil jede Person individuelle Voraussetzungen hat und man im Fitnessbereich selten pauschalisieren kann. Unter diesen Umständen würde ich niemals ein Stretching nach der Trainingseinheit „verbieten“.
Idealerweise betreibt man Stretching aber an einem separaten Tag und nicht am Tag der normalen Trainingseinheit.
Wichtig ist am Ende jediglich, dass jeder Trainierende theoretisch über den physiologischen Hintergrund von Muskelkater aufgeklärt wird. Was der Einzelne dann mit diesem Wissen macht, ist ihm selbst überlassen.
Endlich mal ein Artikel der das richtig erklärt, dass der Muskel sich nicht verkürzt. Als Physiotherapeut kann ich das manchmal von Patienten nicht mehr hören. Danke