Und wieder nehmen wir anlässlich des tragischen Todes des Fußballers Robert Enke, wie so oft bei ähnlichen Tragödien, eine Betroffenheits- Endlosdiskussion war, deren Aggregatzustand gasförmig zu sein scheint, zumindest dann, wenn es in Talkshows quotenorientiert und pietätlos geschieht. Wenn bei aller Trauer die Ursachenforschung der Entwicklungsgründe, nicht nur in diesem speziellen Fall, sondern allgemein zu kurz kommen ist es taubstummer Dialog dem hilfreiche Schlussfolgerungen fehlen. Diesmal ist es die Krankheit Depression, die Anlass zum Nachdenken gibt, die seit sehr langer Zeit zwar mit steigender Tendenz  beobachtet wird, von der aber viele weniger wissen oder wissen wollen als von einer Prellung, vom Noro Virus oder der Schweinegrippe. Über Lippenbekenntnisse hinausgehend ist keine sinnvolle Umgangsstrategie mit der Diagnose Depression, oder ein daraus resultierender  Handlungsfaden für die Zukunft zu erkennen. Viel mehr ist ein Übergang zur Tagesordnung mit den üblichen Verdrängungsmechanismen zu beobachten.

Depression - Lachen nur bedingt die beste Medizin

„Mit nicht Gegeneinander“
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Mehr wird schon über die „Wade der Nation“ gesprochen und gefachsimpelt, wenn die zwickt und nicht zur Verfügung steht, wenn es um die Verteidigung des nationalen Prestiges geht. Mundtot sind vor allem die Betroffenen mit der Diagnose Depression, weil darüber sprechen ihnen durchaus Entlastung bringen könnte, ihnen aber der Makel anhängt schwach zu sein, schwach zu sein, in einer Gesellschaft, in der  Leistung um jeden Preis oberstes Gebot ist. Wie teuer ist es für den einzelnen wenn man nicht nur schwach tut sondern ist, Quo Vadis Gesellschaft? Entscheidungsträger sind zunächst gefragt eine Wissensvertiefung  für eine neue Denkungsart herbeizuführen, entsprechend der auf Papier festgeschriebenen Grundwerte, um Erkrankten damit stabile Brücken  zu bauen.Was wäre wohl geschehen wenn die deutsche Nr.1 im Lande der Torhüter mit seiner Diagnose Depression an Verantwortliche herangetreten wäre?  Denn vor allem aktuelle  Entscheidungsträger hier in Deutschland waren bewusst von Robert Enke nicht informiert worden, natürlich mit der Angst verbunden, das eigene Karriereende damit zu besiegeln.

Christoph Daum 2003 Trainer bei Fenerbahce Istanbul wußte hingegen von Enkes Depression und empfahl fachliche Hilfe in Köln in Anspruch zu nehmen und sagte Unterstützung zu. Dennoch blieb auch nach der „Flucht“  Enkes aus Istanbul der gesellschaftlichen Tabuisierung gehorchend, der konspirative Deckmantel, der aus einem heimlichen  Problem, auch für ihn selbst, ein unheimliches werden lässt und damit noch unaussprechbarer macht. „Wir dachten mit Liebe geht das“, sagte Teresa Enke bei der Pressekonferenz kurz nach dem Tod ihres Mannes. Nein, es ging leider nicht, denn diese Krankheit braucht vor allem das schützende Netz des Umfeldes wie wir leider erleben mussten.

Depressionen – gesellschaftlich immer noch verkannt

 

Im übrigen sind Selbstmord oder Freitod  im Zusammenhang mit Robert Enkes Tod keine zutreffenden Bezeichnungen für die Folge einer Krankheit, in dem Fall einer unzureichend behandelten Depression! Die „Deislerin“, hieß es noch in Kollegenkreisen beim Coming Out des Sebastian Deislers vor ein paar Jahren. Mit dessen Tabubruch, der Flucht nach vorn durch die Offenbarung und der Aufgabe seines „Männerberufes“  Profifußballer wurde noch geschmunzelt,  jetzt ist ohnmächtig viel geweint worden, wahrscheinlich auch aus Scham weil zuvor soviel geschmunzelt wurde.

Natürlich ist Lachen die beste Medizin, wer wollte das bestreiten, aber nur dann wenn Innen-und Außenwelt eines Menschen gleichzeitig lachen. Nicht aber wenn äußeres Lachen dazu dient, eine graue Innenwelt zu verbergen, das Umfeld mitlacht obwohl es eigentlich nichts zu lachen gäbe, würde der Zuhörer mehr über das Innenleben des Präventivlachers wissen. Wird dann trotz wider besseres Wissen gelacht wird, ist es Auslachen und für den Betroffenen der größte Bärendienst.

Aber der Mut sich zu offenbaren bei einigen Betroffenen wird größer

 

Nämlich, ihr inneres und äußeres Lachen wieder zu synchronisieren und sich zu offenbaren, wenn der Tod Robert Enkes überhaupt einen Sinn haben kann und wenn das Leben doch lieb und teuer ist. Behandlung  ist unumgänglich, hat 4 Tage nach dem Tod von Robert Enke der Fußballprofi Andreas Biermann vom FC St. Pauli für sich erkannt und damit einen richtigen Schritt für sich und zur Enttabuisierung und noch wichtiger, zur Entdämonisierung der Krankheit Depression unternommen.

Das geschah neben der Unterstützung seiner Familie auch begrüßenswerterweise durch den Verein FC. St. Pauli und seines Trainers Holger Stanislawskis, die versuchen neue Weg zu gehen. Auch hier bleibt die Frage, wie entschieden worden wäre, gäbe es nicht das durch Enkes Tod entstandene leichter passierbare „Fahrwasser“  für Boote, denen Schiffbruch droht?

Stigmatisierung lässt einige Menschen zögern

 

Wir werden  sehen, ob dieses Beispiel  ein einzelnes bleibt und es ein Ausweg aus der allgemeinen Stigmatisierung ist, vor allem nach der Behandlung von Andreas Biermann. Behandlung ist wichtig, möglich, und die Depression mit guten Heilungschancen therapierbar, wie uns viele Experten bestätigen, besser als angenommen. Nur wenn dieses versteckt geschehen muss, niemand davon erfahren darf, wird dem nach Heilung suchenden unendlich viel Kraft geraubt, die für selbige verloren geht und final in den Tod münden kann.

Natürlich stehen vielen professionellen Fußballclubs heute Mentaltrainer zur Verfügung, leider nicht aus Fürsorge und um den individuellen Bedürfnissen und Erfordernissen des Einzelnen Rechnung zu tragen, oder nachzuvollziehen ob es Gesprächsbedarf gibt, sondern um noch mehr Leistung aus den Sportlern zu quetschen, was bei sensiblen Menschen zusätzliche innere Leere verursachen kann.

Du darfst nicht verlieren, du bist der Stärkste, du musst siegen

 

So wird von Sieg zu Sieg  geeilt bis das Siegen selbst müde macht, auch durch die wachsende Angst nicht mehr zu siegen. Die Freude am Sieg lässt nach und erfüllt nicht mehr! Es werden keine Mittel und Mühen gescheut um den körperlichen Zustand zu optimieren, aber welch altem Denken unterliegt man, wenn man gerade im Leistungssport  den „mentalen Abrieb“ nicht in gleichem Maße berücksichtigt.

Gesiegt oder nicht verloren werden darf und muss auf allen Gesellschaftsebenen, was auch hier für viele eine Last darstellen kann und eine, neben vielen anderen in der jeweiligen Person liegenden komplexen Ursachen, für die steigende Tendenz der Depressionserkrankungen in der westlichen Welt ist. Das ruft und fordert nach umfassenden Lösungsansätzen zur Früherkennung und Hilfe auch für „Otto Normalverbraucher“.

Welch wirtschaftlicher Schaden, wenn sich jeder 5. in Deutschland wegen ein bisschen Schwermut oder Novemberblues behandeln ließe, werden Krankenkassenwarte in Hinterzimmern flüstern. Nein, die Rechnung geht anders: Wie hoch ist der Schaden wächst aus einem Novemberblues eine „waschechte Depression“, die nicht erkannt und behandelt wird? Die „Heilkraft der Bewegung“, wie von einem großen Magazin vor einiger Zeit getitelt, wird von Therapeuten neu definiert, neben anderen Behandlungsstrategien als einen wichtigen Teil der Heilung angesehen.

Bewegung ist sehr hilfreich bei Depressionen

 

Viele amerikanische Psychotherapeuten sind dazu übergegangen, während der Behandlung ihre Patienten walkend auf ein Laufband zu stellen! Denn Neurotransmitter, wie das bekannte Serotonin, werden beim Ausdauertraining  aktiviert, das als ein wichtiger zu stimulierender Bestandteil bei der Rückbildung des Ungleichgewichts im Gehirnstoffwechsel gilt und gut bei leichten bis mittelschweren Depressionen zur Stimmungsaufhellung eingesetzt wird.

Es ist sicher nicht immer möglich eine Heilung mit einer Selbstmedikation, Jogging und progressiver Muskelentspannung zu erreichen. Maßnahmen die sicher Unterstützung bei leichten depressiven Phasen mit temporärem Charakter geben, aber den Gang zum Arzt bei ausbleibendem Erfolg nicht ersetzen und eine Diagnostik unumgänglich machen.

Medikamente heute haben deutlich weniger Suchtpotenzial

 

Neben Medikamenten (Antidepressiva/ Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) die zwar als Psychopharmaka gelten, längst aber nicht mehr das Suchtpotenzial und Nebenwirkungsspektrum aufweisen wie allgemein gedacht, die Verknüpfung mit einer Therapie plus regelmäßiger Bewegung und gesunder Ernährung sind Maßnahmen mit guten Erfolgsaussichten. Analysen haben auch gezeigt das regelmäßiges Fitnesstraining in vielen Fällen dazu beitragen kann, genau auf diese Medikamente die zeitweise als „Nothelfer“  eingesetzt werden später zu verzichten.

Friedrich Nietsches nüchterne aber realistische Gesundheitsdefinition kann hilfreich sein, ob  man vielleicht zusammen mit einem Facharzt  darüber nachdenken sollte,  mehr für die Gesundheit zu tun : “ Gesundheit ist dasjenige Maß an Krankheit, das es mir noch erlaubt, meinen wesentlichen Beschäftigungen nachzugehen„.

Früher den Gang zum Arzt antreten

 

Sollte das nicht mehr der Fall sein, oder werden früher selbstverständliche Tätigkeiten bewusst gemieden, ist das sicherlich ein ernstzunehmendes Alarmzeichen. Ob nun heilend oder vorbeugend, bei der Ernährung ist auf eine verstärkte Zufuhr von Obst und Gemüse zu achten, gute Öle wie Raps-, Oliven-und Leinöl inklusive. Das Johanniskraut als Saft oder Kapsel eingenommen, ist als ein wirksames pflanzliches Mittel bei „mentalen Verstimmungen“ seit Hildegard von Bingen bekannt und heute durch viele Studien bestätigt.

Richtige Ernährung und Lebensweise können unterstützen

 

Fisch, Fleisch, Quark und Nüsse gehören  zu den Lebensmitteln mit einem hohen Anteil der Aminosäure L-Tryptohpan, die als Ausgangssubstanz und Booster für die Bildung des so wichtigen Glückshormons Serotonin zur Verfügung stehen muss. Viel ausdauernde aerobe Bewegung an der frischen Luft ist zu empfehlen, auch wichtig, um dadurch Licht zu tanken, das auch einen positiven Einfluss bei der Bildung von Serotonin hat. Und gelacht werden soll natürlich weiterhin, am besten in Gemeinschaft!!  Sport Frei…